Dienstag, 26. September 2017

RPG-Blog-O-Quest #24 - Charaktere (September 2017)

Der August war leider böse zu mir, besser gesagt, zu meinem Computer, der sich in ein Rauchwölkchen aufgelöst hat, aber jetzt (so gegen Ende September, endlich mit neuem und funktionsfähigem Rechner) kann ich mich wieder an der RPG-Blog-O-Quest beteiligen, diesmal unter dem Motto Charaktere, ausgerichtet von Timber's Diaries.
Wie immer geht es darum, zu einigen vorgegebenen Fragen zum Thema Rollenspiel Stellung zu beziehen.

Die Fragen:

Frage 1:
Nach welchen Gesichtspunkten und aufgrund welcher Inspirationen baust du deine Charaktere? 
Das ist so unterschiedlich wie die Welten, in denen ich spiele.
Manchmal sind es Bilder aus dem Regelwerk, die mich darauf bringen, so einen Charakter spielen zu wollen. Inspirationen können aber auch aus Büchern, Filmen und Fernsehserien stammen, wo ich dann das Gefühl habe, dass ein bestimmter Charakter super in diese Welt passen müsste, die ich demnächst bespielen möchte.
Oft sind es aber auch bestimmte Hintergrund-Elemente, die ich unbedingt mit meinem Charakter erleben möchte (z. B. Luftschiffe; wenn Luftschiffe in einem Hintergrund auftauchen, muss man als Charakter doch was mit Luftschiffen spielen, ist doch klar, oder?). 

Frage 2:
Was fällt dir am Leichtesten bzw. am Schwersten beim Charakterbau und warum?
Wenn ich erst einmal das Konzept habe, weiß ich auch sehr schnell, wie der Charakter aussehen soll, was er können muss, welche besonderen Fähigkeiten er haben muss.
Ich kenne sozusagen sein Auftreten, seine Geschichte, seinen Hintergrund.
Da ich aber eine absolute Nulpe darin bin, solche Gedanken in die Abstraktion eines Regelwerks zu übersetzen, mühe ich mich anschließend viel zu lange damit ab, dieses Konzept auch nur halbwegs sinnvoll in ein  Zahlengerüst zu zwängen.
Und immer wieder bleibt mir nach einigen Spieleabenden nur die späte Einsicht:
"Minimale Effektivität bei maximalem Einsatz!" 

Frage 3:
Recycelst du gelegentlich Charaktere, die du in einer früheren Runde schon einmal gespielt hast, für neue Runden und warum oder warum nicht?
Die Welten, in denen ich spiele, sind normalerweise sehr vielfältig und unterschiedlich, und ich versuche diesen Hintergründen auch in den Charakterkonzepten gerecht zu werden.
Es wäre also für mich gar nicht möglich, den Raumfahrer aus Space: 1889 in die Welt von Private Eye zu übernehmen, auch wenn beide im viktorianischen Zeitalter spielen.
Natürlich passiert es durchaus, dass beliebte Charakterkonzepte wie der verschrobene Wissenschaftler/Magier oder der düster dreinblickende Geheimagent/Krieger sich immer wieder einschleichen, aber vom Grundsatz her versuche ich schon, für einen neuen Hintergrund auch einen neuen Charakter zu schaffen.
Es soll ja schließlich auch eine Herausforderung bleiben. 

Frage 4:
Wie stehst du zum Charaktertod? Darf dein Charakter sterben bzw. unter welchen Umständen?
Grundsätzlich ist es für mich kein Problem, einen Charakter sterben zu lassen.
Aber ich bin auch eine bekennende Dramaqueen. Der Tod einer Spielfigur sollte sich also wenigstens in einer Situation zutragen, in der es erzählerischen Sinn ergibt, dass ein Charakter umkommt.
Wenn das so ist, hat er auch jedes Recht der Welt, das Zeitliche zu segnen.
Ich möchte nur nicht beim Versuch sterben, mein Frühstücks-Müsli zu essen, nur weil ich auf meine Gourmet-Probe einen kritischen Patzer würfle und mich mit einem Plastiklöffel durchbohre. 

Frage 5:
Was bedeutet Charakterentwicklung für dich?
Tatsächlich bin ich kaum daran interessiert, einen Charakter zu haben, der immer mächtiger und stärker und unbesiegbarer wird.
Mehr Trefferpunkte, mehr Ausrüstung, höherer Angriffsbonus? LAAAANGWEILIG!
Es interessiert mich eher, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen, mit denen ich interessante neue Dinge tun kann, als einfach nur größer, dicker, besser zu werden.
Dazu kommt noch, dass ich Charaktere gerne durch schwierige Situationen führe, an denen sie "menschlich" wachsen, so dass aus dem knurrigen Kriegerpriester vom Anfang der Kampagne vielleicht am Ende ein zweifelnder Häretiker und liebevoller Ziehvater eines verstoßenen Jungen wird.
Eine solche Charakterentwicklung ist mir viel wichtiger als das bloße "Aufsteigen" nach Regeln.

Bonusfrage:

Der "erfolgloseste" Charakter, den ich je gespielt habe, war ein Arzt in einer Cthulhu-Runde, der von vornherein darauf angelegt war, möglichst bald dem Wahnsinn zu verfallen bzw. mehr oder weniger heroisch unterzugehen.
Geringe geistige Stabilität, wenige Trefferpunkte, ein düsteres Geheimnis, dessen Offenlegung ihn mindestens ins Gefängnis, wenn nicht unter die Guillotine gebracht hätte ... er hatte alle Chancen auf ein kurzes und wenig glorreiches Charakter-Ende.
Doch einige Abenteuer später und nach einer schier unglaublichen Glückssträhne bei eigentlich statistisch nicht zu schaffenden Würfelwürfen hatte der gute Doktor nicht nur seine Stabilität signifikant erhöht, sondern auch die Spuren seiner Vergangenheit ausgelöscht und so manches cthulhuide Unwesen besiegt hinter sich gelassen.
Am Ende der Kampagne war er ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft geworden und bereitete sich darauf vor, wieder zu heiraten und ein normales Leben zu führen.
Manchmal klappt es eben einfach nicht...


Die RPG-Blog-O-Quest wurde diesmal angeleiert von Timber's Diaries
Dort findet ihr auch alle Antworten verlinkt.

Sonntag, 24. September 2017

Karneval der Rollenspielblogs September 2017 - Ausgezeichnete Wahl!

Der Karneval der Rollenspielblogs ist eine monatliche Aufforderung, sich zu einm rollenspiel-relevanten Thema zu äußern, jeweils ausgerichtet von einem Blog, der das Thema vorgibt und die Arbeit des Zusammentragens übernimmt.
Im Monat September wurde der Karneval ausgerichtet von Clawdeen spielt, und zwar zum Thema:

Ausgezeichnete Wahl!

Es ist natürlich kein Zufall, dass ich diesen Blogbeitrag am Tag der Bundestagswahl verfasse.
Seit Wochen werde ich in den "normalen" Medien wie auch in meiner Timeline bei Facebook mit mehr oder weniger ausgefeilten politischen Statements bombardiert, die entweder das Ziel haben, mich von einer bestimmten politischen Agenda zu überzeugen oder davon, dass eine bestimmte politische Richtung einfach gar nicht geht (ganz zu schweigen von den Menschen, für die eh alle Politiker Verbrecher sind und die "denen da oben" nicht ihre Legitimation geben wollen, also auch nicht wählen gehen).
Es ist normalerweise nicht meine Art, mich zu politischen Themen zu äußern, aber so viel sei mir gestattet:

Geht wählen!

Wir leben in einer Demokratie, was bedeutet, dass die Mehrheit der Bürger mit ihrer Wahl (direkt oder indirekt) das politische Leben bis zur nächsten Wahl mitbestimmt.
Nun mag es manchem so erscheinen, als könnte seine Wahl nichts beeinflussen oder als gäbe es nicht die richtige Partei für die eigene politische Einstellung, aber auch darum geht es eben in einer Demokratie: Kompromisse zu akzeptieren, sich vor allem aber zu entscheiden und trotz Bedenken mitzumachen.
Eure Partei hat eh keine Chance? Dann aber auch, weil zu viele Leute wie ihr zu Hause bleiben und sie eben nicht wählen.
Ich bin in den letzten Tagen immer wieder auf ein Zitat gestoßen, dass meine Überzeugung sehr gut wiedergibt:
Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.
-
Voltaire (1694-1778)
(möglicherweise auch Evelyn Beatrice Hall, wie man mir versicherte, aber der Inhalt ist mir hier wichtiger als die Quelle)
Und ich bin froh, dass ich in einem Land lebe, in dem ich mitentscheiden kann, in dem ich aber vor allem meine Meinung äußern darf, wenn ich es will. Das ist nicht selbstverständlich in der Welt, wiewohl es das sein sollte.
Ja, es ist erschreckend, welche Abgründe sich bei manchen politischen Diskussionen auftun, aber trotzdem müssen auch solche Debatten möglich sein.
Das alles bringt mich jedoch zu einer weiteren Frage, um den Bogen zum Fokus des Karnevals zu schlagen:

Gehört Politik ins Rollenspiel?

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein absoluter Fan davon bin, reale Ereignisse, seien sie nun historischer oder aktueller Natur, in meine Texte einfließen zu lassen. Die Wirklichkeit schreibt die besten Geschichten, und wenn mir diese Geschichten einen Teil meiner Arbeit abnehmen, dann bin ich nur froh darum. 
Aus dem, was die Realität mir anbietet, dann einen gelungenen Plot oder Hintergrund zu erstellen, ist natürlich eine ganz andere und viel weiterreichende Aufgabe. Ich muss interpretieren, dazu erfinden, pervertieren, romantisieren, verschwörungstheoretisieren, ganz, wie es zum jeweiligen Projekt passt.

Und allzu oft stoße ich dabei in Bereiche vor, in denen es politisch wird. 
Cthulhu spielt in den Zwanziger Jahren, und gerade in Deutschland, zu Zeiten der Weimarer Republik, stoße ich immer wieder auf politische Themen, verquere Ansichten, die heute kaum noch nachzuvollziehen sind, Hoffnungen auf eine bessere Welt, die sich nicht erfüllen, den Tanz auf dem Vulkan.

Aber auch in reinen Fantasy-Welten kann ich in das Thema Politik hinein stolpern. Wenn in einem solchen erdachten Reich die Menschen aus dem Nachbarland fliehen, weil die Horden des Dämonenfürsten dort einfallen, wie verhält sich mein eigenes Volk? Dürfen die Flüchtlinge auf Milde und Freundlichkeit hoffen, oder gibt es eine Bewegung, die bereit ist, den Opfern des Krieges zugunsten des eigenen Landes die Hilfe zu verweigern, die Grenzen zu schließen? Wer wird die Oberhand gewinnen, und wo werden die Charaktere sich aufstellen? Stellen Sie sich einer solchen Fraktion entgegen, oder schließen sie sich ihr an? 


Muss ich Politik im Rollenspiel haben?

Nein, natürlich nicht.
Auch in dem oben geschilderten Fall können meine Charaktere versuchen, sich aus diesem Streit heraus zu halten. Sie können einfach nur Abenteurer sein, auf der Suche nach dem nächsten Schatz. Eventuell machen sie sich auch auf den Weg, um den Dämonenfürsten zu besiegen und das Problem so zu lösen.
Wer einen unproblematischen Rollenspielabend verleben möchte, in dem es einfach nur darum geht, das Böse zu besiegen oder den eigenen Ruhm zu mehren, der kann das ruhigen Gewissens tun. Schließlich soll das Hobby vor allem Spaß machen, und nicht jeder möchte mit mehr oder weniger existenziellen Fragen konfrontiert werden, wenn er mit seinen Freunden am Spieltisch sitzt.

Auf der anderen Seite haben solche Fragen ein enormes erzählerisches Potenzial. 
Ein Spielleiter kann ein Dilemma erzeugen, bei dem die Charaktere sich entscheiden müssen, wie die Welt, in der sie spielen, sich in Zukunft entwickelt. Es gibt keine einfachen Lösungen für solche komplexen Situationen, das liegt in der Natur der Sache.
Wer sich in dieses erzählerische Minenfeld begibt, läuft trotzdem schnell Gefahr, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen, Lösungen zu erwarten, die dem eigenen Denken entsprechen. Wer aber seinen Spielern die Wahl zwischen Pest und Cholera aufzwingt, muss sich nicht wundern, wenn sie dieses Problem vielleicht anders auflösen, als es einem selbst in den Sinn gekommen ist.
Es kann passieren, dass sich auf einmal reale Vorurteile und Ängste in einer Spielsituation manifestieren und dass alle plötzlich voller Verwunderung das eigene Verhalten am Spieltisch beobachten.
Allein deshalb kann es interessant sein, sich vor Augen zu führen, welche gesellschaftlichen und damit auch politischen Folgen die eigenen Handlungen im Spiel für die jeweilige Hintergrundwelt haben könnten. Und vielleicht bekommt man dadurch ein anderes Bild von der Situation im wahren Leben.

Vielleicht.
Denn letztendlich ist es immer eine persönliche Entscheidung, wie man sein Spiel erfahren möchte, und damit vollführen wir wieder den Kreisschluss mit dem Anfang:
Jeder soll nach seinen eigenen Vorstellungen spielen, genauso, wie er sich in der Öffentlichkeit seinen Überzeugungen entsprechend äußern darf, sofern er niemand anders damit verunglimpft.
So, wie es eben nur in einer Demokratie möglich ist.




Alle Beiträge zum Karneval der Rollenspielblogs September 2017 findet ihr übrigens
bei Clawdeen spielt.

Samstag, 2. September 2017

Tar'Aram - Interview mit den Macherinnen des "Neuen Spiels"

Crowdfunding ist immer noch ein guter Weg für junge aufstrebende Spielemacher, um das nötige Geld für eine Produktion ihrer Idee aufzutreiben.
So machten es auch die beiden jungen Damen, die hinter dem kleinen, aber feinen Spiel Tar'Aram stehen, das gerade bei Startnext dem Geld der Massen empfohlen wird.
Ich habe mit den Projektgründerinnen ein Gespräch über ihr Spiel und die Hintergründe dazu geführt.


Ihr seid völlig Unbekannte in der Spieleszene. Erzählt doch erstmal ein bisschen über euch. Wer seid ihr, und was tut ihr so, wenn ihr keine Spiele erfindet?

Wir sind Annika Dencker, 19 Jahr Jahre alt und Psychologiestudentin, und Christin Rudolph, 20 und Politikwissenschaftstudentin.


Wie und wann ist Tar'Aram entstanden?

Wir haben beide im Jahrgang 2015/16 ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur in der Rhein-Neckar-Region gemacht.
Im Rahmen dessen wurde im Juli 2016 ein Workshop mit dem Namen "Spielentwicklung" angeboten. Wir waren sofort begeistert. Damals entstand die erste Idee zu Tar'Aram.


Wie kommt man dann darauf, die eigene Idee auch wirklich in ein reales und verkaufbares Spiel zu verwandeln? Und wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Verlag Spieltrieb?

Till Meyer vom Verlag Spieltrieb hat diese Veranstaltung geleitet. Am Ende des Workshops kam er mit dem Vorschlag auf uns zu, zusammen weiter an Tar'Aram zu arbeiten.
Das war für uns ein doppelter Glücksfall. Den zum einen haben wir mit Till einen Experten, der uns unterstützt und die ganzen nervigen Aspekte wie Organisation, Produktion und Vertrieb übernimmt. Zum anderen ermöglicht er uns, Tar'Aram von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt größtenteils selbst umzusetzen. Denn natürlich wäre es einfacher gewesen, das Spiel einem großen Verlag zu verkaufen. Wir haben uns aber früh für das Gegenteil entschieden: Aus unserer Idee auch unser Spiel zu machen.


Würdet ihr sagen, dass "Tar'Aram" eher ein abstraktes oder eher ein thematisches Spiel ist? 
Und wieso habt ihr den klassischen Spiel-Hintergrund "Ägypten" gewählt?

Eigentlich ist Tar'Aram ein eher abstraktes Spiel. 
Die Story und die entsprechende Gestaltung haben wir nach dem Motto "Form folgt Funktion" gewählt - sie sollen die Regeln erklären und den Einstieg erleichtern anstatt abzulenken. 
Insofern könnte man sagen: wir haben Ägypten gewählt, obwohl es klassisch ist, weil es schlicht ist und die Regeln gut erklärt.

Wer ist außer euch noch an dem Projekt beteiligt (zum Beispiel als Illustrator oder Ideengeber)?

Außer Till Meyer beziehungsweise Spieltrieb als Verlag hat neben den vielen Testspielern noch Ronald Hild immer wieder gute Ideen zu einigen Spielregeln eingebracht. 
Christian Opperer gestaltet unsere Grafiken.


Aktuell läuft das Crowdfunding bei Startnext für das Spiel (siehe hier). Warum habt ihr diesen Weg gewählt, um das Spiel herauszubringen?

Crowdfunding setzt unseren eingeschlagenen Weg konsequent fort. Wir tragen die Verantwortung für unsere Ideen und was mit ihnen passiert, anstatt von Investoren abhängig zu sein. 
Wir haben uns aber auch aus einem ganz pragmatischen Grund für Crowdfunding entschieden: Wir sind beide junge, arme Studentinnen.


Wenn euch jemand fragt, warum er gerade euer Spiel unterstützen sollte, was würdet ihr ihm sagen?

Tar'Aram sollte man fördern, weil es eine besondere Kombination aus Rätseln, Taktik und Wettlauf ist. Durch den modularen Spielplan und die verschiedenen Spieldynamiken die sich bei unterschiedlicher Spieleranzahl und Spielfeldgröße ergeben ist der Spielverlauf sehr vielfältig. Viele Taktiken führen zum Erfolg. Und dabei kann man auch noch ständig den anderen Steine vor die Nasen schieben.


Wird es in Zukunft vielleicht Tar'Aram - Die Rückkehr der Mumie des Pharaos oder etwas ähnliches geben?

Einen festen Plan was nach Tar'Aram kommt haben wir nicht. Zuerst wollen wir schauen, wie Tar'Aram bei den Spielerinnen und Spielern ankommt.